Freitag, 8. November 2019

Wissenschaftler zum Klimawandel - Problematische Warnung der 11.000

Wissenschaftler zum Klimawandel - Problematische Warnung der 11.000

Es war eine der großen Nachrichten der Woche, die „Warnung von 11.000 Wissenschaftlern vor einem Klimanotstand“. Fast alle Medien berichteten, meist an prominenter Stelle. Kläglich war das, auch weil der Aufruf dem Wissenschaftsethos widerspricht.

Der Klimawandel, angetrieben von Abgasen des Menschen, birgt erhebliche Risiken für viele Weltregionen. Umweltveränderungen sind messbar: Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Hitzewellen werden häufiger. Welche Folgen noch zu erwarten sind, ist Gegenstand der Forschung; der UN-Klimabericht dokumentiert zahlreiche Risiken, gleichwohl erhebliche Wissenslücken. Der Klimawandel findet sich zurecht oben auf der Agenda der Vereinten Nationen.
Doch die Warnung der 11.000 Wissenschaftler ist aus mehreren Gründen problematisch: Sie gründet auf einem mangelhaften Aufsatz. Sie widerspricht dem Ethos der Wissenschaft. Es gibt Zweifel an den Unterzeichnern. Und die Unterzeichner erliegen einer anrüchigen Versuchung.

Inhaltliche Mängel des Aufrufs

Das Spektakel um die Warnung der 11.000 erweist dem Thema einen Bärendienst. Es ist ein Tiefschlag für die Glaubwürdigkeit der Forschung (und der Medien), nicht nur weil die Unterzeichnerliste offenbar ungeprüft veröffentlicht wurde – auch „Mickey Mouse“ hat unterschrieben. Dass zahlreiche Vertreter von Umweltverbänden unter den Unterzeichnern sind und viele andere ohne Berufsnennung, lässt an ihrer Wissenschaftlichkeit zweifeln. Aber auch viele Forscher, deren angegebene Fachrichtung eine Mitarbeit am Klimathema anzeigen, dürften mit der Arbeit ihre Kompetenz überschritten haben: Sie bearbeiten Detailfragen, die eine kompetente Beurteilung aller Aussagen des Aufsatzes nicht unbedingt nahelegen.
Schwerer aber wiegen inhaltliche Mängel des Aufrufs. Aufgeführt werden Statistiken über die Änderungen menschlicher Aktivitäten, die Einfluss auf das Klima haben und zudem gemessene Umweltveränderungen. Suggeriert wird beispielsweise, dass eine zunehmende Versorgung der Weltbevölkerung mit Strom und der Zuwachs an Wohlstand, problematisch seien. Angesichts von 820 Millionen Hungernden in der Welt und gut einer Milliarde, denen Strom fehlt, eine zynische Aussage.

Die Vereinten Nationen haben das Gegenteil berichtet

Grobe Mängel im Aufsatz vergrößern das Problem: Eine Grafik etwa zeigt, dass die Welt massiv an Wald eingebüßt habe – eine grobe Irreführung. Erst im August haben die Vereinten Nationen das Gegenteil berichtet: Die Vegetation hat weltweit über die vergangenen Jahrzehnte stetig zugenommen. Eine weitere Grafik zeigt, dass Wetterkatastrophen häufiger geworden wären – ebenfalls ein Widerspruch zu UN-Daten, die bislang keinen globalen Klimaeffekt bei Wetterkatastrophen zeigen.
Während der UN-Klimareport regelmäßig überzeugend darlegt, warum die Erwärmung Umweltrisiken vergrößert, lassen die Darstellungen dieser von den 11.000 unterzeichneten Studie kaum einen glaubwürdigen Schluss zu; angebliche Zusammenhänge werden nicht erläutert. Stattdessen gibt es eine Liste mit Forderungen: Die Ernährung sollte auf Pflanzen umgestellt werden, und die Weltbevölkerung „muss stabilisiert, idealerweise reduziert werden“, heißt es etwa.

Moralische Pflicht der Wissenschaft gibt es nicht

Bereits der erste Satz des Aufsatzes ist problematisch: „Wissenschaftler haben eine moralische Pflicht, die Menschheit deutlich vor jeder katastrophalen Bedrohung zu warnen“, schreiben die Autoren. Abgesehen davon, dass die „Schilderung der Lage“ in dem Aufsatz misslungen ist – jene moralische Pflicht der Wissenschaft gibt es nicht. Das Gegenteil ist richtig: Politische Forderungen vergiften die Wissenschaft.
Die Wahrheitsfindung der Wissenschaft bedarf politischer Freiheit, soziale Verpflichtungen drängen die Forschung in Ideologien. Die Politisierung der Klimatologie hat bereits dazu geführt, dass sich viele Forscher mit Kritik an Ergebnissen und mit Zweifeln zurückhalten, um nicht in unliebsame politische Gesellschaft gestellt zu werden. Die Klimaforschung ist längst nicht mehr so frei, wie sie laut grundgesetzlichem Credo eigentlich sein sollte. Auch sie sollte ausschließlich der Wahrheitsfindung dienen, nicht der Mehrheitsfindung.

Politisierung des eigenen Wissens

Selbst eindeutige Forschungsergebnisse dürfen niemals politische Entscheidungen vorwegnehmen. Der Kampf gegen den Klimawandel steht in Zielkonflikten mit anderen fundamentalen gesellschaftlichen Problemen, etwa Nahrungsmangel und Energiemangel – nicht Umweltforscher haben zwangsläufig die Lösungen für die besten Kompromisse. Die Gesellschaft muss auf Basis von nüchternem wissenschaftlichem Sachstand entscheiden, nur dann finden politische Maßnahmen Akzeptanz. Weisungen einer akademischen Elite mit Autoritätsanspruch hingegen diskreditieren die Demokratie.
Dass es viele Umweltwissenschaftler derzeit zu Appellen drängt, mag angesichts des Klimawandels verständlich erscheinen. Uneigennützigkeit braucht dennoch nicht unterstellt werden: Wahrnehmung ist auch in der Forschung die wichtigste Währung – und Politisierung des eigenen Wissens hilft, relevant zu werden. Diese Versuchung ist menschlich, dass ihr aber sogenannte Qualitätsmedien unkritisch nachgeben wie bei der Warnung der 11.000, spottet ihrer Kontrollfunktion.
Quelle: Cicero

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Wissenschaftler fordern Nachbesserungen bei den Klimaplänen. Und nennen die Länder, die am meisten Treibhausgase ausstoßen.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

NZZ - Deutsches Umweltministerium fordert die Schweiz auf, Atomkraftwerke «zeitnah» stillzulegen


Deutsches Umweltministerium fordert die Schweiz auf, Atomkraftwerke «zeitnah» stillzulegen
Von einer «fatalen Fehlentwicklung» in der Schweizer Atompolitik spricht die Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Sie will, dass die Schweiz bei Entscheidungen über längere Laufzeiten die Nachbarstaaten einbezieht.
Das deutsche Umweltministerium versucht, Einfluss auf die Laufzeiten der Schweizer Atomkraftwerke zu nehmen. Bereits am Freitag veröffentlichte das Ministerium eine Pressemitteilung, die bisher kaum Beachtung fand. Darin heisst es, Rita Schwarzelühr-Sutter, die parlamentarische Staatssekretärin des Ministeriums und Bundestagsabgeordnete der SPD, habe sich wegen der Kernkraftwerke mit einem Schreiben an die Schweizer Bundesrätin für Umwelt, Simonetta Sommaruga, gewandt. Die Staatssekretärin setze sich dafür ein, das unweit der Grenze zu Deutschland gelegene Atomkraftwerk Beznau «schnellstmöglich» abzuschalten. Der Staatssekretärin geht es aber nicht nur um diese Anlage. Sie möchte, «dass auch die übrigen Schweizer Atomkraftwerke zeitnah ihren Leistungsbetrieb einstellen».

Dienstag, 8. Oktober 2019

Wachstum braucht billige Energie


Klimawandel-Debatte
Wachstum braucht billige Energie
KOLUMNE: GRAUZONE VON ALEXANDER GRAU am 5. Oktober 2019 (CICERO)
„Fridays for Future“ ruft zum nächsten weltweiten Aktionstag. Die radikale Bewegung „Extinction Rebellion“ will Berlin blockieren und wird von 90 Kulturschaffenden unterstützt. Die Debatte spitzt sich zu. Zeit, einige einfache und ernüchternde Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen
Klimawandel, Klimaschutz, Klimakatastrophe, Klimakabinett, Klimarat, Klimastrategie und Klimapaket – alle reden vom Klima und von nichts anderem mehr. Und auch die Debatte kennt nur eine Richtung: mehr Steuern, mehr Abgaben, mehr Verbote, mehr Einschränkungen, mehr Vorschriften. Denn wenn die Welt untergeht, ist es dann nicht kleinlich oder gar verbrecherisch auf Freiheit und Autonomie zu bestehen? Oder auch nur darauf, nüchtern abzuwägen?
Dennoch und gegen den allgemeinen Trend ist es vielleicht hilfreich, unaufgeregt Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das kann einen davor bewahren, Sinnloses zu tun oder die Sache schlimmer zu machen, als sie ist. 
Wir müssen dekarbonisieren
Um nicht in sinnlose Diskussionen verstrickt zu werden, nehmen wir an, dass die Thesen des Weltklimarates IPCC stimmen. Demnach ist die aktuelle durchschnittliche Erwärmung der globalen Temperatur menschengemacht und basiert auf einem deutlichen Anstieg der CO2-Konzentration von unter 300 ppm um das Jahr 1850 herum, auf derzeit knapp über 400 ppm (parts per million, abgekürzt ppm, wörtlich übersetzt „Anteile pro Million“).
Geht man von diesem Szenario aus, scheint es nur eine Schlussfolgerung zu geben: Wir müssen dekabonisieren, drastisch und sofort. Doch solche Forderungen sind das Ergebnis eines absurden Tunnelblicks und einer konsequenten Weigerung, auch nur ein wenig links und rechts zu schauen.
Beginnen wir bei uns selbst: Die großen Industrieländer hängen zu etwa 80 Prozent von fossilen Energieträgern ab. Die Versuche, diese Quote signifikant zu reduzieren, gelingt nur Ländern mit außergewöhnlichen Bedingungen: So kann die Schweiz ihren Strom ausschließlich aus Wasserkraft und Kernenergie beziehen. Ähnlich ist es in Norwegen. Auf andere Länder sind solche Lösungen aber nicht übertragbar. 
Das Entscheidende passiert nicht hier
In Deutschland, das laut Bundesrechnungshof bisher 106 Milliarden Euro in die Energiewende investiert hat, ist es trotz dieser massiven Ausgaben nicht gelungen, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch signifikant zu erhöhen. Der Anteil nichtfossiler Energieträger beträgt konstant etwa 20 Prozent, ein Großteil davon als Kernenergie oder Biomasse, also Holz, Klärgas oder Biodiesel. Wind- und Sonnenenergie decken nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums gerade mal 3,9 Prozent des Primärenergieverbrauchs ab. Zu meinen, man könne den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren, ist vor diesem Hintergrund illusorisch und man sollte das auch klar kommunizieren.
Aber selbst, wenn das Unmögliche möglich würde: Bekanntermaßen beträgt der Anteil Deutschlands am globalen CO2-Ausstoß etwa 2 Prozent. Das Entscheidende passiert nicht hier, sondern woanders, insbesondere in den Schwellenländern. 2016 plante China laut Greenpeace jede Woche zwei Kohlekraftwerke ans Netz gehen zu lassen. Weltweit werden derzeit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa 400 Gigawatt gebaut, die 150 deutschen Kohlekraftwerke kommen auf eine Leistung von 45 Gigawatt. Ferner werden wir weltweit mehr Flugzeuge erleben, mehr Laster und mehr Mobilität. Das Ziel des Weltklimarates, die CO2-Emission bis 2050 auf null zu setzen, ist daher nicht einmal annähernd realistisch. Auch das sollte man deutlich sagen. 
Die hohen Geburtenraten stoppen
Und im Grunde ist das auch gar nicht wünschenswert. Denn derzeit wächst die Erdbevölkerung alle 12 Jahre um etwa eine Milliarde. 2050 werden wir deutlich über 10 Milliarden Menschen auf der Erde haben. Um diese Geburtenrate zu stoppen, ist es notwendig, die ärmsten Länder dieser Welt auf etwa ein Zehntel des Wohlstandes der westlichen Welt zu heben. Denn dann, das zeigt die Erfahrung, kippt das Reproduktionsverhalten schlagartig und Frauen bekommen nicht mehr sieben bis acht Kinder im Durchschnitt, sondern weniger als drei. Und dieses Ziel sollten wir zügig erreichen.
Das dafür nötige Wirtschaftswachstum braucht aber Energie, billige Energie. Kurz: Wir sind in einem Zieldilemma. Ohne erhebliches, stabiles Wirtschaftswachstum steuern wir in eine Bevölkerungskatastrophe hinein, Massenverelendung, Bürgerkriege, Kampf um Ressourcen und Umweltzerstörung inklusive. Um dieses Wirtschaftswachstum bereitzustellen braucht es aber Energie, auch fossile Energie. 10 Milliarden Menschen ernährt man zudem nicht mit Biolandwirtschaft, sondern mit dem Kunstdünger, und der ist Energieintensiv.
Mit anderen Worten: Schon Deutschland wird seine Klimaziele ohne eine Deindustrialisierung mit unabsehbaren sozialen Folgen nicht erreichen. Vom Rest der Welt brauchen wir gar nicht erst zu sprechen. Hier werden wir in absehbarer Zeit sogar mehr billige Energie benötigen, um eine Bevölkerungskatastrophe abzuwenden. Die reichen Staaten Europas sollten lernen, über den Rand des eigenen Biogärtchens hinauszuschauen. Statt ineffiziente und teure CO2-Ziele zu verfolgen, ist es rationaler, zu überlegen, welche technischen Lösungen denkbar sind, um mit dem unvermeidbaren Klimawandel zu leben.