Rolf Schuster: „Die Physik des Stromnetzes lässt sich politisch nicht regulieren“
Umland: An drei Tagen im Juni
stand das deutsche Stromnetz vor dem Zusammenbruch wegen zu geringer
Einspeisung. Die modernen Industrienachbarstaaten haben uns nochmal
ausgeholfen, Gott sei Dank. An vier anderen Tagen in diesem Monat musste
Deutschland unverkäuflichen Stromüberschuss exportieren, mit
„negativen“ Preisen. Ende 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk
vom Netz… Und dann? EIFELON sprach mit dem Mann, dessen Grafiken zur Energiewende eines zeigen: Deutschland knallt mit voller Energie gegen die Wand.
Zurück zum vergangenen Juni: Jetzt müsse man erst einmal
analysieren, ob die „Bilanzkreise“ ausgeglichen waren, sagen die
Netzbetreiber über das allgemein verniedlichend „Stromchaos“ genannte
Fast-Desaster. Und das, wir können es uns denken, kann dauern. Acht
Wochen sind angesetzt. EIFELON wollte nicht so lange warten und auch nicht auf die Antwort der Grünen-Politikern Ingrid Nestle vertrauen:
„Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass die
Erneuerbaren Energien Schuld an den Verzerrungen sind. Hier handelt es
sich eindeutig um mangelhafte Regulierung und politische Fehlsteuerung.“
Denn wir von EIFELON,
der aufmerksame Leser weiß es, sind der Energiewende gegenüber
pessimistisch eingestellt. Das liegt nicht an unserem Glauben, sondern
daran, dass wir seit vielen Jahren die Grafiken von Rolf Schuster als
Hintergrundrecherche mit verwenden. Die Daten rund um die Energiewende
sammelt der 63-Jährige in seiner Freizeit aus für jedermann zugänglichen
Quellen wie dem europäischen Verbundnetz, der Leipziger Strombörse, dem
Bundeswirtschaftsministerium und dem Umweltbundesamt. Die Daten
übernimmt er eins zu eins. Beruflich entwickelt der gelernte
Elektrotechniker in Hessen Maschinen für die Autoindustrie und
unterzieht sie einer sicherheitstechnischen Risikoanalyse, d.h., er
überprüft und dokumentiert, dass diese Anlagen kein Risiko für das
Personal und Umfeld darstellen.
Vor neun Jahren hat er mit dem Datensammeln angefangen. Auslöser
war der Bau von Windrädern im Westerwald. Schuster stellte
Ortspolitikern kritische Fragen und wurde als Unwissender über die
Energiewende abgewatscht. Seitdem bereitet er Energiedaten grafisch auf
und sendet sie an alle, die nackte Fakten zur deutschen Energiewende
interessieren: Professoren der Physik, Wirtschaftsbosse, darunter der
ehemalige Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung
Hans-Werner Sinn, einige wenige deutsche Politiker und Journalisten und
natürlich das nahe und ferne Ausland, das „Tränen über Deutschland
vergießt vor lauter Lachen“.
Schuster erfasst in seinen Grafiken alles, was es an
statistischen Daten zu Klima und Energiewende deutschland- und weltweit
gibt: Die Temperaturentwicklung, die CO2-Entwicklung, die Stromerzeugung
durch Atom, Kohle, Erdgas und den Erneuerbaren, die jeweiligen Kosten,
die Nennleistung im Vergleich zur tatsächlich erbrachten Leistung, die
Stromerzeugung im Vergleich zum wirklichen Bedarf in Deutschland, aber
auch in anderen Ländern wie Frankreich, den USA oder Australien.
Am 8. Juni, Pfingstsamstag, ging es dann also los mit dem
„Stromchaos“, das mal soeben in wenigen Stunden 157 Millionen Euro
volkswirtschaftlich vernichtete, so zeigt es Schusters Auswertung. Der
Stromkunde subventionierte mit der EEG-Umlage den Strom aus Wind und
Sonne mit 116 Millionen Euro, obwohl der Strom an der Leipziger Börse
einen negativen Gegenwert von minus 41 Millionen Euro erzielte. Die fünf
Chaostage zusammengerechnet ergeben eine Negativbilanz von Achtung!
2.000.000.000 Euro (zwei Milliarden Euro) volkswirtschaftlichem Schaden.
Das Geld ist natürlich nicht weg. Ein paar wenige freuen sich über so
viel Zuwendung, neben den Großinvestoren diejenigen, die mit
Eigenkapital oder über Fonds in die Erneuerbaren investiert haben. Und
natürlich der Finanzminister, denn die Mehrwertsteuer kommt noch
obendrauf.


Und ja, vielleicht mögen „böse Buben“ mit dem Strombedarf
spekuliert haben, wie es jetzt durch die Medien rauscht, aber
„Handelsmengen und physikalische Stromflüsse haben nichts miteinander zu
tun“, so Schuster. Und in Richtung Ingrid Nestle sagt er:
„Die Physik des Netzes interessiert sich nicht für politische
Regulierungen. Wenn ich hinten kein Futter reinstecke, kommt vorne auch
nichts raus“.
Fakt sei, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt zu wenig Strom
im Netz hatten, weniger als wir brauchten. Das sei nichts grundlegend
Neues. Nur dieses Mal sind nicht genug konventionelle Kraftwerke
eingesprungen, um die Versorgungslücke zu stopfen, weil sie in Reparatur
waren. Diese Kraftwerke sind nicht auf das ständige An/Aus-Spiel
ausgelegt, das der Zwang, den Erneuerbaren Vorrang einzuräumen,von den
Kraftwerksbetreibern verlange und verschleißen daher früher. Der
Kraftwerksbetreiber sei natürlich nicht motiviert, großartig in die
Kraftwerke zu investieren, da sie eh abgeschaltet werden sollen, so
Schuster.
„Die Erneuerbaren Energien
brachten nicht die in der Prognose vom Vortag erwarteten Einspeisungen.
Die Spekulation hat an einem Tag (23. Juni) zu massiven
Preisverzerrungen geführt, zu sonst nichts. Den Spekulanten die Engpässe
anzulasten, ist absurd. Die haben „nur“ die Preise für Regelenergie in
astronomische Höhe getrieben, auf Kosten der Verbraucher. Das Gesetz,
das dies möglich macht, stammt vom Gesetzgeber“, sagt Peter Geisinger
von Vernunftkraft-Odenwald.
An diesen Chaostagen zeigt sich die Misere der deutschen
Energiewende, die auf unzuverlässigen Strom aus Sonne und Wind setzt,
für den wir keinen Speicher haben. An der Unzuverlässigkeit ändert auch
ein verstärkter Netzausbau nichts, weil die wetterbestimmenden Hoch- und
Tief-Druckgebiete größer als Deutschland sind. Damit findet ein
Unterschied zwischen Nord- und Süd- Wetter auch nicht statt, es sind
überall die gleichen Wetterbedingungen. Dabei war es noch nicht einmal
ein stürmischer sonniger Herbsttag mit hohem Energieeintrag oder
Weihnachten, zu dem extrem wenig Energie verbraucht wird. Die Chaostage
geschahen an wettermäßig unspektakulären Junitagen.
Wenn Politiker den Bürgern weiter erzählen, wir müssten noch mehr
Windräder aufstellen, um mehr Energie zu erzeugen, dann ist das eine
Luftnummer.
„Wenn ein Windrad steht, dann steht es, weil es nicht weht. Dann stehen auch die anderen Windräder“, sagt Schuster.
Zusammensetzung des Strommixes nach Erzeugung:

Zusammensetzung des Strommixes nach Erzeugung.
Wer die Windräder für längere Zeit beobachtet oder einfacher
Schusters Grafiken betrachtet hat, weiß, dass die Wind-Energieträger
statistisch weniger als 2.000 der 8.760 Stunden eines Jahres ihre
theoretische Leistung erreichen. Über dreiviertel des Jahres stehen sie
„statistisch“ still und leisten gar nichts.
Die Grafiken zeigen auch, dass die bisherigen 30.000 Windräder nur
rein bilanziell zwanzig Prozent des Strombedarfs in Deutschland decken.
In der deutschen Gesamtenergiebilanz aus allen Energieträgern, in denen
Energie mechanisch, thermisch, chemisch oder physikalisch gespeichert
ist, machen sie nur magere drei Prozent aus.
Und auch eine Verfünffachung der Windräder auf 150.000 Stück wird
nur auf dem Papier den Energiebedarf zu hundert Prozent abdecken. Denn
zwischen dem Papier und der Wirklichkeit steht der Wind. Und bei
Windstille dreht sich bekanntlich kein Windrad und wenn dann auch noch
keine Sonne für Solaranlagen da ist, etwa nachts, haben wir die so
genannte Dunkelflaute. Ohne Stromzufuhr aus anderen Energiequellen,
gehen dann nicht nur die Lichter in Deutschland aus.
Umgekehrt erzeugen die Windräder bei starkem Wind zu viel
Energie, weil sich dann alle auf einmal drehen. Mit jedem weiteren
Windrad steigen die Stromerzeugungsspitzen, aber nicht die
kontinuierliche Stromerzeugung für jede benötigte Sekunde, wie es die
konventionellen Energieerzeuger garantieren. Auch wenn wir den Strom der
Erneuerbaren gerade nicht benötigen, ist er trotzdem im Stromnetz. Und
auch wenn wir der Grünen Annalena Baerbock gern glauben würden,
physikalisch lässt sich Strom nicht im Netz speichern. Damit die
Infrastruktur des Netzes geschützt und das Netz auf keinen Fall instabil
wird, bieten wir den Strom unseren Nachbarländern als Geschenk an und
hoffen, dass sie es auch annehmen. Über die EEG-Umlage erhält der
Windradbetreiber aber trotzdem sein Geld. Das ist ihm pro Windrad für 20
Jahre zugesichert. Wir, die Stromkunden, stellen den Scheck aus. Wird
der Scheck bei zunehmender Windradzahl noch größer?
So wird dann auch die Stromtrasse von Nord- nach Süddeutschland
aus den genannten Gründen nicht funktionieren. Wir können nur maximal 25
Prozent der Kapazität eines Windrads nutzen. Mehr kommt nicht an Wind.
„Wie man damit ein Grundlaststromwerk in Bayern ersetzen möchte, ist mir ein Rätsel“, sagt Schuster.
Rein gedanklich müssten die Windanlagen im Norden dann immer
doppelt so viel Strom erzeugen, wie im Norden benötigt wird, damit die
andere Hälfte den Süden versorgen kann und umgekehrt. Die Hoch- und
Tiefdruckgebiete sind jedoch in der Regel größer als unser kleines
Deutschland und überziehen auch die Nachbarländer. Weht im Norden kein
Wind, dann auch im Süden nicht und auch nicht in Frankreich. Daran
scheitert ein angedachter Netzverbund mit unseren Nachbarn aus rein
Erneuerbaren Energien, in dem der Windstrom hin- und hergeleitet würde.
In den Niederlanden hat der dortige Bundesrechnungshof eine
Energiewende à la Deutschland durchgerechnet und wie die deutschen
Kollegen festgestellt, dass das zu teuer wird. Der Vorteil in den
Niederlanden für das Portemonnaie des Bürgers: Dort hören die Politiker
auf die Hüter des Steuergeldes und diskutieren ergebnisoffen und
öffentlich das Pro und Kontra von Energiereformen inklusive der
anfallenden Kosten.
In Deutschland haben wir seit dem Jahr 2000 die Energiewende mit
inzwischen rund 250.000.000.000 Euro durch die EEG-Umlage
subventioniert. Tendenz steigend mit zunehmendem weiteren Ausbau der
Erneuerbaren. Allein in diesem Jahr werden es geschätzt 30 Milliarden
Euro sein. Tatsächlich Wert an der Strombörse ist der Strom aus Wind-
und Sonnenenergie für dieses Jahr geschätzt nur acht Milliarden Euro.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
aber zählt „die Windenergie an Land mittlerweile zu den
kostengünstigsten Energiequellen in Deutschland“.
Dann könne man ja getrost die EEG-Umlage abschaffen, sagt
Schuster und fragt sich für einen Moment, was wir mit den vielen
Milliarden Euro in Deutschland alles reparieren werden? Nein,
realistisch sei, dass die EEG-Umlage bleibe und die C02-Steuer noch dazu
komme, quasi der Eisladen zur Kugel Eis im Monat. (Auf den Betrag einer
Eiskugel bezifferte der damalige Umweltminister Jürgen Trittin die
EEG-Umlage für den einzelnen Bürger bei ihrer Einführung. Inzwischen
liegt sie bei monatlich hundert Eiskugeln.) Das ist aber nur die
EEG-Umlage, noch nicht der Endpreis auf der Stromrechnung.

30.000 Windräder stehen bereits in unserem Land. Die
Bundesregierung unter Angela Merkel ist dabei, sie auf zunächst 120.000
aufzustocken. Die BRD hat eine Fläche von 600.000 Quadratmetern. Ob
demnächst auch die größeren Städte umzingelt werden, in denen es sich
bisher so schön abseits der lärmenden Windräder, wie in einer
Parallelwelt, zu den ländlichen Regionen leben lässt? Windräder im
Königsdorfer Forst für die grünen Städter, warum nicht? Schuster nennt
ein Beispiel aus der hessischen Stadt Wetzlar, wo die Buderuswerke mit
einem Elektroschmelzofen ihre Produkte herstellen. Um einzig den
Strombedarf von 400 Gigawattstunden dieses einen Ofens zu decken, müsste
man um Wetzlar hundert Windräder aufstellen und hoffen, dass der Wind
24 Stunden am Tag bläst.
„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit Windrädern die
bestehende Industrie nicht aufrechterhalten können. Wenn die nach und
nach abzieht, werden wir andere Schmerzen haben als Atemnot durch
Klimawandel“, sagt Schuster.
Derzeit bangen die Mitarbeiter der energieintensiven Aluminiumverhüttung in Neuss um die Stromversorgung und ihre Jobs.
„Es ist doch Wahnsinn, dass sich der
Bundeswirtschaftsminister hinstellt und sagt, wir werden die fehlende
Energie von den europäischen Partnern bekommen. Übersetzt heißt das
nichts anderes als: Wir setzen auf Strom von unsicheren belgischen
Atomkraftwerken“,
zitiert RP-online den Betriebsratsvorsitzenden des norwegischen
Aluminiumherstellers Hydro am Standort Grevenbroich, Heinz Höhner. 2018
gab es 18 stromnetzbedingte Abschaltungen bei Hydro. Fällt eine Anlage
zur Aluminiumverhüttung für nur zwei Stunden aus, ist sie Schrott.
Die eigene sichere Stromversorgung zu vernichten und naiv darauf
zu hoffen, die Nachbarländer werden uns immer im Notfall mit ihrem Strom
versorgen? Auch Schuster setzt hier ein großes Fragezeichen. Er mahnt
an, dass wir in Deutschland das Wissen und die Forschung zu den
bisherigen Energieformen immer weiter verlieren. Rund um unsere Insel
gehe die Nutzung von Kohle- und Atomkraftwerken weiter. China
unterstützen wir finanziell mit Millionen Euros beim Bau neuer
Kohlekraftwerke. Was früher deutsches Knowhow war, ist jetzt in
chinesischer Hand. China plant und baut inzwischen auch weltweit 300
neue Kohlekraftwerke, etwa in Pakistan.
Kernkraftnutzung in Europa:

Atomkraftwerke werden weltweit weiterentwickelt. Russland setzt
weiter auf die so genannten schnellen Brüter, die inzwischen Leistungen
von mehr als 800 Megawatt erbringen, und auf ein Mini-Atomkraftwerk von
80 Megawatt, das sich per Schiff transportieren lässt und eine Stadt am
nördlichen Eismeer mit Strom und Wärme versorgt (ingenieur.de).
Nach 30 Jahren wird das schwimmende Atomkraftwerk Akademik Lomonossow
zum Hersteller zurückkehren und abgebaut werden, wie Schuster erklärt.
Auch am Abfallproblem arbeiteten die anderen Länder weiter. Bisher
bleibt 95 Prozent des radioaktiven Materials eines Atomkraftwerks
ungenutzt. Die Atomkraftwerke der fünften und sechsten Generation werden
das Material verwerten. Übrig bleiben Radionukleotide mit einer
Strahlendauer von hundert Jahren.
„Auch wenn wir aus der Atomkraft aussteigen – die Welt wird
sich die Nutzung von Atomstrom von uns besserwisserischen Deutschen
nicht verbieten lassen“, sagt Rolf Schuster, der Datensammler.
Wie er damit klarkomme, täglich mit seinen Grafiken die nackten
Fakten zur deutschen Stromversorgung zu sehen und mitzuerleben, welchen
Irrweg die Politik immer weiter und immer stärker beschreitet, als gäbe
es keinen Stopp, keinen Verstand und auch keine Verantwortung gegenüber
den Menschen, die hier leben? Rolf Schuster antwortet:
„Der Spruch, dass eine Generation ihren Kindern eine bessere
Zukunft hinterlässt, trifft meines Erachtens nicht auf Deutschland zu.“
Mehr Grafiken von Rolf Schuster unter Vernunftkraft-Odenwald
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