Montag, 30. September 2019

Offener Brief an Greta von Frank W. Haubold


Von Frank W. Haubold
Hallo Greta, 
Du hast erst dieser Tage in New York eine Rede gehalten, die man wohlwollend als „sehr emotional“ oder weniger freundlich als „hysterisch und anmaßend“ beschreiben könnte. Ich weiß nicht, ob Du den Text selbst entworfen hast, aber das spielt letztlich auch keine Rolle, denn indem Du ihn vorgetragen hast, ist er untrennbar mit Deinem Namen und Deiner Person verbunden. Du sagtest eingangs: „Das hier ist alles falsch, ich sollte hier nicht sein, ich sollte zurück in der Schule sein auf der anderen Seite des Ozeans…“.
Das ist richtig, aber aus ganz anderen Gründen, als Du sie benennst, denn Du solltest tatsächlich besser wieder zur Schule gehen, nicht nur wegen des dort vermittelten Wissens, sondern auch um nicht noch tiefer in den Abgrund aus falschen Gewissheiten, Zwangsvorstellungen, Selbstüberhöhung und Sendungsbewusstsein zu geraten, der dich anderenfalls nie wieder freigeben wird. 
Deine Kindheit 
Du sagst weiter: „Wie konntet Ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit Euren leeren Worten?“ Ich mag die meisten Politiker auch nicht, Greta, aber Deine Träume haben Sie ganz gewiss nicht gestohlen und Deine Kindheit auch nicht.
Du bist in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen, in einem vergleichsweise reichen Land wie Schweden. Du musstest niemals hungern wie Millionen Kinder auf dieser Welt, musstest keine Krankheiten fürchten, weil Deine Familie kein Geld für Medikamente hat. Du bist frei von Krieg und Verfolgung aufgewachsen und musstest niemals fürchten, dass plötzlich bewaffneten Männer die Tür eintreten, Deinen Vater erschlagen, Deine Mutter vergewaltigen und Dich in ein Lager als Sexsklavin verschleppen. Das ist kein erdachtes Horrorszenario, sondern brutale Realität in Ländern wie Syrien oder dem Irak.
Aber selbst wenn wir im vergleichsweise zivilisierten Europa bleiben: Wie kannst Du es wagen, von einer „gestohlenen Kindheit“ zu sprechen angesichts von Millionen wirklich armen Kindern, schwerkranken Kinder, Kindern, die körperliche und sexuelle Gewalt erleiden in ihrer brutalsten Form? Ganz in der Nähe meiner Heimatstadt wurde erst kürzlich ein neunjähriges Mädchen von einem abgelehnten Asylbewerber vergewaltigt. Diesem Mädchen und vielen anderen – auch in Schweden – wurde die Kindheit gestohlen, nicht Dir!
Weiter führst Du aus: „Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens und alles, worüber Ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum – wie könnt Ihr es wagen?“ Nun kann man eine ausschließlich am wirtschaftlichen Wachstum orientierte Politik durchaus und berechtigt kritisieren, wenn dafür die Umwelt und die natürlichen Ressourcen auf der Strecke bleiben. Aber Deine Behauptung vom bevorstehenden „Massenaussterben“ hat dennoch keinerlei rationale Basis, denn sie widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen. 
Dein Horrorszenario 
Da Du mir das natürlich nicht glauben wirst, zitiere ich die Antwort des renommierten Wissenschaftlers Prof. Marotzke, der auch für das IPCC arbeitet, auf die Frage des SPIEGEL nach Schwellwerten, oberhalb derer irreversible (unwiderrufliche) Prozesse beginnen: 
„Wir können das nicht ausschließen, aber die Belege für solche Kipp-Punkte sind bisher eher schwach. Am ehesten könnte eine Erwärmung von 2 Grad dazu führen, dass der grönländische Eispanzer abschmilzt, wodurch der Meeresspiegel langfristig um sieben Meter anstiege – das wäre eine höchst dramatische Veränderung. Aber selbst wenn es dazu käme, würde sich das Abtauen über 3000 Jahre hinziehen. Alle anderen angeblichen Kipp-Punkte wie das Versiegen des Golfstroms oder das Abschmelzen der Westantarktis sind auf absehbare Zeit unwahrscheinlich.“[1] 
Diese fachlich wohlbegründete Aussage führt alle Horrorszenarien, wie sie von Dir und Deinen Unterstützern verbreitet werden, ad absurdum, denn eine tatsächliche Gefahr geht nur von irreversiblen Veränderungen aus. Ich könnte es auch härter formulieren: Die menschheitsbedrohende Klimakatastrophe, die seit Jahr und Tag Dein Denken beherrscht und Dir den Schlaf raubt, existiert nur in Deinem Kopf!
Das bedeutet keineswegs, dass wir die Dinge einfach so weiterlaufen lassen können, denn der von Menschen verursachte CO2-Anstieg in der Atmosphäre ist eine unbestreitbare wissenschaftliche Tatsache. Die Folgen allerdings für Temperatur und Klima sind durchaus umstritten, denn die für deren Ermittlung verwendeten Modelle sind erstens grob vereinfachend und zweitens enorm fehleranfällig. 
Deine Reife 
Du fährst in Deiner Rede fort: „Wie könnt Ihr es wagen zu glauben, dass man das lösen kann, indem man so weiter macht wie bislang – und mit ein paar technischen Lösungsansätzen? Ihr seid immer noch nicht reif genug zu sagen, wie es wirklich ist.“ Hier sei mir der Einwand gestattet, dass es wohl doch eher Du bist, die noch nicht „reif genug“ ist, die wissenschaftlichen und ökonomischen Zusammenhänge zu verstehen. Das ist kein Vorwurf, denn mit 16 Jahren kann man die Komplexität der relevanten Sachverhalte noch gar nicht erfassen, erst recht nicht, wenn man durch eine psychische Störung (Asperger-Syndrom)[2] gehandicapt ist. Aber Dein Vorwurf an uns, die Älteren, ist schon allein deswegen ungerecht, weil viele Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes schon vor vielen Jahren ergriffen wurden und zwar völlig ohne den Einfluss von FFF oder ähnlichen Bewegungen. So sank der CO2-Ausstoß des Industrielandes Deutschland seit 1990 um 30,6%. Und es ist schon mehr als anmaßend und selbstgerecht, diese aufwändigen Bemühungen zu diskreditieren.
In anderen Ländern (China, Indien) läuft die Entwicklung entgegengesetzt, was für Dich und Deine Berater aber offenbar kein Grund ist, dort mit ultimativen Forderungen vorstellig zu werden. Der Grund ist ganz einfach, auch wenn es vielleicht weh tut: Man würde Euch dort schlicht und ergreifend auslachen. 
Deine Rolle 
Und genau deshalb ziehst Ihr es auch vor, vorwiegend Deutschland heimzusuchen, weil Eure Anhängerschaft dort am größten ist und die Medien am unkritischsten. Das ist menschlich verständlich, aber ich muss Dir leider sagen, dass auch in Deutschland viele Menschen Deiner penetranten und selbstgewissen Belehrungen leid sind, vor allem jene, die im Gegensatz zu Dir und Deinem Anhang ihren Lebensunterhalt hart erarbeiten müssen.
Natürlich wird mein Brief, sofern Du ihn überhaupt zu sehen bekommst, nichts an Deinem Engagement ändern, dafür hast Du Dich schon zu weit von der Normalität eines 16-jährigen Schulmädchens entfernt. Und es ist ja auch schmeichelhaft, von den Großen und Mächtigen dieser Welt bis hin zum Papst umworben und mit Preisen überhäuft zu werden. Berühmtheit ist eine Verlockung, der sich auch Erwachsene kaum entziehen können und wollen.
Nur solltest Du Dich von der Vorstellung trennen, dass jene Politiker, Berater und Mäzene, die Dir heute auf die Schultern klopfen und Dich in Deinem Eifer bestärken, tatsächlich an Deinem Wohlergehen interessiert sind. Viel eher benutzen sie Dich als Aushängeschild und Gallionsfigur für ihre eigenen Interessen, die alles andere als klima- oder auch nur menschenfreundlich sind. Ich kann nur hoffen, dass Du das irgendwann selbst erkennst, auch wenn es schmerzlich ist.
Mit nachdenklichen Grüßen 
Frank W. Haubold

Frank W. Haubold wurde 1955 in Frankenberg (Sachsen) geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Informatik und Biophysik in Dresden und Berlin. Seit 1989 schreibt er Romane, Erzählungen und Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres.

Sonntag, 29. September 2019

Worauf es bei der Klimapolitik ankommt

"Zentraler Denkfehler"
Worauf es bei der Klimapolitik ankommt
Ein Gastbeitrag von Carsten Linnemann und Oswald Metzger

Der Erfolg der deutschen Klimapolitik entscheidet sich nicht an deutschen Fleischtheken oder in den Heizungskellern. Vielmehr braucht Berlin weltweit Verbündete, um die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren. Das Klima interessiert sich nicht für Landesgrenzen. 
Im Wochenrhythmus kreisten im Sommer neue Ideen zum Klimaschutz durch die Lande: von Verboten für innerdeutsche Flüge über höhere Steuern auf Fleisch bis hin zu neuen CO2-Steuern auf Benzin, Diesel und Heizöl. Die Panik, die Greta Thunberg nach eigenem Bekunden auslösen wollte, hat sie ausgelöst. Nicht nur bei vielen Bürgern, deren Sorge vor den Folgen des Klimawandels massiv zugenommen hat, sondern auch bei Politikern und Parteien, die einen regelrechten Überbietungswettbewerb führen, um als Klimaretter wahrgenommen zu werden.
Dieser klimapolitische Aktionismus leidet jedoch an einem zentralen Denkfehler: Der Erfolg der deutschen Klimaschutzbemühungen entscheidet sich weniger an deutschen Fleischtheken oder in Heizungskellern als vielmehr beim Europäischen Rat oder auf der nächsten UN-Klimakonferenz. Bei allem, was Politik, Unternehmen und Bürger in Sachen Klimaschutz hierzulande machen, kommt es entscheidend darauf an, wie der Rest der Welt darauf reagiert. Zur Erinnerung: Über 97 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes werden außerhalb Deutschlands emittiert. Das Klima interessiert sich nicht für Landesgrenzen, kluge Klimapolitik sollte es genauso wenig tun.
Wenn wir nun unsere Kohlekraftwerke so schnell wie möglich abschalten wollen, erneuerbare Energien massiv subventionieren oder CO2-Steuern einführen, dann spart das allein noch kein CO2 ein. Dafür ist Deutschland - zum Glück - viel zu sehr mit unseren europäischen und internationalen Partnern über gemeinsame Märkte und Handelssysteme verbunden. Ergo: Wenn bei uns die Nachfrage nach Rohöl oder nach Emissionszertifikaten rückläufig ist, sinken die jeweiligen Preise und das Rohöl findet in China oder das Emissionszertifikat in Polen dankbare Abnehmer. Wenn wir im nationalen Alleingang unsere energieintensiven Industrien signifikant belasten, verlagern diese ihre Produktionsstätten ins Ausland -  ein Trend, den wir wegen der hohen Strompreise bereits seit Jahren registrieren.
Wer die weltweiten Treibhausgasemissionen senken will, braucht dreierlei:

1.      Verbündete für eine europäisch und global angelegte Klimapolitik

Eine Klimapolitik, der es nicht um eine aufgehübschte nationale Klimabilanz, sondern um die zielsichere Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen geht, kommt an einem globalen Emissionsrechtehandel nicht vorbei. Jede Maßnahme muss sich daran messen lassen, ob sie uns einem solchen System näherbringt. Der Emissionsrechtehandel hat sich nicht nur in der EU, sondern in einer weiterwachsenden Zahl an Ländern weltweit bewährt. Er ist technologieneutral und reizt die Marktteilnehmer dazu an, innovative Wege zum Schutz des Klimas zu finden. Den Verkehrs- und Wärmesektor in den EU-Emissionsrechtehandel einzubeziehen, wäre ein wichtiger Schritt zu einer globalen Lösung für ein globales Problem. Deutschland könnte dazu einen Antrag bei der Kommission stellen oder zunächst mit einer Koalition der Willigen ein zweites Handelssystem einrichten. In jedem Fall sollten wir damit beginnen, das europäische Emissionshandelssystem mit anderen Systemen zu verknüpfen. Dieser Weg ist besser, effizienter und klimapolitisch wirkungsvoller als eine rein nationale CO2-Steuer.

2.      Nachahmer einer klugen Anreizpolitik

Deutschland praktiziert den Doppelausstieg aus Kern- und Kohleenergie. An vielen Stellen setzen wir auf Verbote und Vorschriften, subventionieren mit riesigen Summen die Wind- und Sonnenenergie und bezahlen diese Energiepolitik mit den weltweit höchsten Strompreisen. Und am Ende verfehlen wir trotzdem unsere selbst gesteckten nationalen Klimaziele. Ist es wirklich verwunderlich, dass uns bei diesem ineffizienten Alleingang bislang kein Land folgt?
Während wir darüber streiten, ob das letzte unserer rund 100 Kohlekraftwerke im Dezember 2037 oder Januar 2038 schließen soll, werden auf der ganzen Welt neue Kraftwerke gebaut - rund 1400 mit rund 670 Gigawatt Leistung sind derzeit in Planung oder im Bau. Wenn wir der Welt zeigen wollen, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum kein Widerspruch sind, müssen wir weniger auf nationales Ordnungsrecht und mehr auf marktwirtschaftliche Preisanreize setzen - etwa für die energetische Gebäudesanierung. Auch die deutsche Kreislaufwirtschaft ist ein exzellentes Beispiel für ein Modell, das sich weltweit immer mehr durchsetzt. Kurzum: Wir müssen der Welt konsequent zeigen, dass steigender Wohlstand und sinkender CO2-Ausstoß kein Widerspruch sind. Nur so finden wir Nachahmer, statt zum abschreckenden Beispiel zu werden.

3.      Handelspartner, die innovative Umwelttechnik "Made in Germany" nachfragen

Ein weiterer Schlüssel zur Lösung der weltweiten Klimaprobleme liegt in Deutschland: Technologie und Innovation! Die deutsche Wirtschaft kann zwar nicht den Klimawandel alleine abfedern, sie kann aber der Welt die Technologie zur Verfügung stellen, damit wir vorankommen.
Jeder, der in den vergangenen Jahren auf der Hannover-Messe war, hat gesehen, zu was gerade unsere Wirtschaft in der Lage ist. Eine klimaneutrale Fabrik, die BASF in China baut, trägt mehr zum Klimaschutz bei als wir in Deutschland mit Fahrverboten je erreichen können. Wir sollten den CO2-Ausstoß nicht verlagern, sondern die Technologien entwickeln, um ihn zu minimieren. Dazu müssen wir Universitäten und Unternehmen bei der Forschung unterstützen, ohne ihnen Technologievorgaben zu machen. Wenn wir wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz Technologien vor hohen Marktrisiken faktisch schützen und mit hohen Renditen belohnen, bremsen wir die Innovationsfähigkeit aus. Bei der Förderung von Antrieben und Kraftstoffen dürfen wir diesen Fehler auf keinen Fall wiederholen und uns nicht als Politik etwa auf Elektromobilität festlegen.
Wir stehen vor einer riesengroßen Aufgabe: Wir müssen den weltweit steigenden Bedarf nach Energie stillen und gleichzeitig die weltweiten Treibhausgasemissionen schnell und entschlossen senken. Für diese Aufgabe werden wir Erfindergeist, wirtschaftliche Vernunft und politische Entschlossenheit brauchen. Jede Maßnahme, die das Klimakabinett am 20. September beschließt, muss sich daran messen lassen, ob sie uns einer globalen Lösung für ein globales Problem näherbringt. 

Bekenntnisse einer Klimaleugnerin

Gastbeitrag: Bekenntnisse einer Klimaleugnerin  
Von Dr. Sonja Margolina
Ideologie lässt sich nicht wissenschaftlich widerlegen. Sie kann aber eine Gesellschaft, die sich von ihr leiten lässt, ruinieren. 
Der Klimawandel ist die große Erzählung des Westens unserer Tage. Abweichende Erklärungen für Naturkatastrophen und Wetterextreme werden nicht mehr akzeptiert. Die Folgen sind fatal – vor allem für die Wirtschaft.
Ich bin 1986 in die Bundesrepublik gekommen. Bald darauf hat Michail Gorbatschow den Kalten Krieg beendet und das autarke Sowjetsystem geöffnet. Obwohl ich von Hause aus Naturwissenschaftlerin bin, zogen mich die politischen und kulturellen Entwicklungen in Russland in ihren Bann; der damals anschwellende Diskurs über die bevorstehende Erderwärmung ließ mich zunächst kalt. Apokalyptische Ängste vor der Gletscherschmelze und der Sintflut sowie die Bemühungen, das globale Klima durch internationale Verträge zu „retten“, fand ich gleichwohl an den Haaren herbeigezogen. Das fünfzigjährige Wettrüsten war vorbei, die Gefahr eines atomaren Konflikts war gebannt, die sowjetischen Truppen verließen das Gebiet der DDR und die osteuropäischen Staaten. Doch anstatt mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken, wurden abermals Ängste vor einem Weltuntergang heraufbeschworen.
Der Mechanismus der Angstproduktion in einer Demokratie und die dahinterstehenden Interessen waren mir damals nicht geläufig. Heute glaube ich, meine Naivität hatte unter anderem mit den positiven Vorurteilen über den Westen zu tun, die bei vielen Osteuropäern in der Opposition zum eigenen System und im Kontext einer langen Kulturtradition des prowestlichen Denkens entstanden. Wenn der Westen für jene, die hinter dem Eisernen Vorhang schmorten, als Vorbild und Sehsuchtsort erschien, so sollten auch seine Institutionen vorbildlich und seine Bürger quasi bessere Menschen sein; seine Politiker sollten nicht lügen und die Medien objektiv berichten. Ich brauchte dann Jahre, um meine tradierten Vorstellungen auf ein Normalmaß herunterzuschrauben.
Wenn ich heute zurückdenke, war für meine Ablehnung des von Klimaängsten geprägten Weltbildes neben meinem naturwissenschaftlichen Hintergrund – ich bin promovierte Biologin in Pflanzenphysiologie – eine frühere Schlüsselerfahrung von Bedeutung. Mit 17 Jahren war ich eine aktive Jungkomsomolzin und hielt den Sozialismus für das gerechteste System der Welt. Dann jedoch lernte ich Menschen kennen, die zu den „Andersdenkenden“ zählten. In meinem Bewusstsein fand so etwas wie ein Paradigmenwechsel statt. Alles, woran ich bislang gedankenlos geglaubt hatte, wurde entweiht und entwertet. Seitdem ist mir das Vertrauen in Autoritäten, Ideologien, gute Absichten und moralische Argumente abhandengekommen. 
Möglichkeit des Paradigmenwechsels 
Im Labor des Instituts für angewandte Geophysik in Moskau, das mein erster Arbeitsplatz nach dem Uni-Abschluss 1973 wurde, waren Vertreter unterschiedlichster Fachrichtungen versammelt, die sich mit Satelliten-Forschung in den oberen Schichten der Atmosphäre, aber auch mit dem Monitoring der Umweltverschmutzung und Normen für ökologische Sicherheit beschäftigten: Geowissenschaftler, Biophysiker, Chemiker. Von ihnen hörte ich zum ersten Mal von einer bevorstehenden Klimakatastrophe. Allerdings handelte es sich dabei um die Erdabkühlung. Im Institut konnte ich auch in „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome lesen, dass bis Ende des 20. Jahrhunderts nichterneuerbare Ressourcen wie Kohle und Erdöl verbraucht sein würden und nie wiederkämen.
Darüber sollte uns ein Geologe aus dem Öl- und Gasinstitut im Seminar berichten. Doch stattdessen hörten wir: Vergesst die Prognosen des Club of Rome. Erstens beruhen dessen Modelle auf der Extrapolation gegenwärtiger Tendenzen wie das schon bei Malthus der Fall war. Und wo ist jetzt euer Malthus? Zweitens, vergesst alles, was ihr in den Schulbüchern gelesen habt. Die Kohlenwasserstoffe, die vom Club of Rome zu Grabe getragen werden, haben sich nicht aus der Biomasse der Lebewesen herausgebildet. Vielmehr befinden sie sich im Erdmantel in einer Tiefe von 150–300 Kilometern und würden durch enormen Druck aus dem Erdinneren nach oben gedrückt, wo sie sich unter dichten Gesteinsformationen sammelten. Alle Anwesenden waren perplex. Die etablierte biogenetische Theorie behauptet, dass fossile Brennstoffe aus Pflanzen und Tieren – aus Fossilien also – entstanden seien; die abiogenetische Theorie, die der Geologe präsentierte, behauptete dagegen, dass sie einen umgekehrten Weg gingen: nicht von der Erdoberfläche in die Tiefe, sondern aus der Tiefe nach oben. Daraus folgte: Sie können nicht erschöpft werden, leergepumpte Lagerstätten füllten sich nach. Wie ich heute weiß, wurde die abiogenetische Theorie in den 80er Jahren auch im Westen von Astrophysiker Thomas Gold geprägt, der ausdrücklich auf die frühere Forschung sowjetischer Geologen verwies.
Für mich gehörte dieser Vortrag zu den seltenen Aha-Erlebnissen, die mich in meiner Jugend beeinflussten. Man sollte die Möglichkeit des Paradigmenwechsels, aber auch der Kontingenz immer mitdenken. Der Zufall kann vermeintliche Sicherheiten zunichtemachen. Man will sich vor der Erderwärmung schützen, und plötzlich explodiert ein Supervulkan vom Schlage Tambora – und 1,5 Grad Abkühlung mit entsprechenden Folgen machen die hehren Klimaziele zum Treppenwitz der Geschichte. Ändert sich die Sonnenfleckenaktivität, wie am Ende des 18. Jahrhunderts, fällt der Schnee im Juli, die Wirtschaft bricht ein – und die „Klimaziele“ werden übererfüllt.  

Samstag, 28. September 2019

Offener Brief an Greta Thunberg

Martin Graf nachdenklich.
Liebe Greta Thunberg,
Hut ab – mit Deinem Auftritt vor der UNO hast Du vor wenigen Tagen ein gewaltiges Presseecho bekommen. „Ihr habt mit Euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit geklaut“ hast Du dort unter anderem gerufen. Und hinterhergeschickt: „Wir werden euch niemals verzeihen!“ 
Sorry, aber das ist großer Blödsinn. Und diejenigen, die Dir Deine Manuskripte schreiben und mit Dir Deine Auftritte üben, wissen das: Niemand hat Dir jemals irgendetwas geklaut. Du hattest eine glückliche, unbeschwerte Kindheit in einem der sichersten und saubersten Länder der Erde. Du konntest träumen, wovon Du wolltest. Du hattest das Glück, nie erfahren zu müssen, was Hunger, Leid, Krankheit und Tod ist. Du gehörst zu den jungen Menschen, die von ihrer Vorgänger-Generation so viel geschenkt bekommen hat und so verwöhnt worden ist wie noch keine zuvor. Der Klimawandel hatte nicht den geringsten Einfluss auf Dein Leben. „Gestohlene Träume“ oder eine „geraubte Kindheit“ sind Sprechblasen, die die Presse liebt – aber wenn man etwas genauer hinsieht, sind sie genauso hohl und inhaltsleer wie die von den Leuten, die Du angreifst. Und sie werden durch Wiederholungen nicht besser.
Ihr seid jung und ungestüm; Ihr habt das Recht, andere zu kritisieren und mal über ein Ziel hinausschießen. Du hast auch zweifellos etwas angestoßen: Bei Deiner Generation, die jetzt wenigstens zeitweise mal vom Handy aufschaut und feststellt: Da gibt es ja noch was anderes außer mir. Aus dieser Bewegung könntet Ihr jetzt etwas machen – wenn Ihr wollt.
Aber vieles von dem, was Ihr derzeit tut – und Du in der ersten Reihe – ist vor allem respektlos: Die Fehler Einzelner lastet Ihr pauschal Milliarden von Menschen an und verurteilt einfach alles als schlecht, was andere vor Euch gemacht haben – noch bevor Ihr selbst bewiesen habt, dass Ihr irgendwas davon besser könnt. Damit müsst Ihr nicht warten, bis Ihr erwachsen und Ingenieure oder Politiker seid: Bäume pflanzen, Wälder und Küsten entmüllen, mit dem Fahrrad in die Schule fahren und verantwortungsvoll konsumieren könnt Ihr schon heute! Jammern und fordern und andere beschimpfen verbessert nämlich nicht das Geringste – wann fangt Ihr an, SELBST etwas zu TUN?
Du hast das Privileg, eine Schule Deiner Wahl besuchen und jeden Beruf ergreifen zu dürfen, der Deinen besonderen Fähigkeiten entspricht – und Du wirfst dieses Geschenk, um das Dich mindestens eine Milliarde junger Menschen in aller Welt beneiden, einfach weg? Wie und wovon willst Du leben in jener - angeblich – besseren Welt, die Du Dir erträumst? Willst Du sie nur serviert kriegen oder wirst Du auch selbst etwas dafür tun?
In unserer Kindheit und Jugend – nach einem schrecklichen Krieg und dem anschließenden Wiederaufbau – spielte Klima- und Umweltschutz noch keine große Rolle. Aber seit den 70er Jahren wurde seine Wichtigkeit erkannt und umgesetzt: Von -zig Millionen von Menschen in aller Welt (die meisten von ihnen waren nicht so privilegiert wie Du), die Du jetzt einfach pauschal verurteilst und der Untätigkeit oder gar der vorsätzlichen Schädigung der Umwelt beschuldigst. Die Medien freuen sich darüber - aber es ist einfach respektlos.
Du und Deine Generation habt noch nicht wirklich etwas für Klima- und Umweltschutz geleistet; nur davon profitiert. Das müsst Ihr auch nicht; Ihr seid noch jung, und wie Ihr Eure Zukunft gestaltet, wenn Ihr demnächst mehr dafür tun müsst als die Schule zu schwänzen und ein paar Transparente zu schwenken, wird man sehen. Ich werde es aufmerksam beobachten.
Ich habe zwei Kinder ins Leben begleitet und viel für den Umweltschutz und die Zukunft getan – als ich eine hatte. Heute lebe ich in meiner ehemaligen Zukunft (der Gegenwart) und freue mich über das gemeinsam mit vielen anderen Menschen Erreichte. Deshalb ein Rat von einem „alten weißen Mann“: Hol‘ Dir Deine Kindheit und Jugend zurück. Jetzt. Geh‘ wieder zur Schule, mach‘ einen Abschluss, reise (mit welchem Verkehrsmittel auch immer; dafür sind sie da) durch die Welt, sei neugierig, verbring‘ viel Zeit mit Freunden, verliebe Dich, sei unvernünftig, beginne ein Studium und werde irgendwann die weltbeste Umwelt-Ingenieurin, wenn es tatsächlich Dein Traum ist, etwas zu verändern und nicht nur darüber zu reden.
Denn von allem anderen bleibt höchstens heiße Luft - und selbst die wird kalt. Es wäre schade, wenn die Welt sich irgendwann nur an das Mädchen aus Schweden erinnern würde, das zwar ein paar Monate oder Jahre lang viel gesagt und gefordert, aber am Ende nichts aus seinem Leben gemacht hat.

Freitag, 27. September 2019

Ergebnisse des UN-Klimagipfels in New York


Ergebnisse des UN-Klimagipfels in New York
Staaten mit einer CO2-Emiision von 10,7 % der Weltproduktion haben versprochen, größere Anstrengungen zu unternehmen, um in 30 Jahren Klimaneutralität zu erreichen.

Der Klimagipfel ist beendet und alle reden nur über Greta. Aber der Gipfel hat auch „handfeste“ Ergebnisse gebracht. 65 Staaten sicherten „verstärkte Bemühungen“ zu, bis 2050 klimaneutral zu werden. 65 Staaten? Das Pariser Klimaabkommen haben 195 Staaten unterschrieben. Unter den 65 Staaten sind als größter Emittent mit 2,1 % der Weltproduktion Deutschland, gefolgt von Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Niederlande, Belgien, Österreich, Finnland, Portugal, Schweden, Schweiz und Dänemark vertreten. Darüber hinaus so illustre Staaten wie Costa Rica, Jamaika, Papua-Neuguinea, Mauritius, Namibia, Bahamas, Fidschi und andere Inselstatten. Und die drei größten CO2-Emitenten China, USA und Indien, mit mehr als der Hälfte der CO2-Weltproduktion, fehlen ganz. 
Und lediglich 16 Staaten haben einen Klimaaktionsplan definiert, der ehrgeizig genug ist, die Zusagen auch zu erfüllen. Diese Staaten sind: Algerien, Äthiopien, Costa Rica, Guatemala, Indonesien, Japan, Kanada, Mazedonien, Malaysia, Montenegro, Norwegen, Papua-Neuguinea, Peru, Samoa, Singapur und Tonga.
Berechnet man wie die Neue Zürcher Zeitung den Anteil, den die 65 Staaten an den globalen CO2-Emissionen stellen, so wird schnell klar, dass sich bisher eher kleinere Emittenten verpflichtet haben. Sie produzieren lediglich 10,7 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus Verbrennung von fossilen Brennstoffen und Zementproduktion.