Dienstag, 8. Oktober 2019

Wachstum braucht billige Energie


Klimawandel-Debatte
Wachstum braucht billige Energie
KOLUMNE: GRAUZONE VON ALEXANDER GRAU am 5. Oktober 2019 (CICERO)
„Fridays for Future“ ruft zum nächsten weltweiten Aktionstag. Die radikale Bewegung „Extinction Rebellion“ will Berlin blockieren und wird von 90 Kulturschaffenden unterstützt. Die Debatte spitzt sich zu. Zeit, einige einfache und ernüchternde Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen
Klimawandel, Klimaschutz, Klimakatastrophe, Klimakabinett, Klimarat, Klimastrategie und Klimapaket – alle reden vom Klima und von nichts anderem mehr. Und auch die Debatte kennt nur eine Richtung: mehr Steuern, mehr Abgaben, mehr Verbote, mehr Einschränkungen, mehr Vorschriften. Denn wenn die Welt untergeht, ist es dann nicht kleinlich oder gar verbrecherisch auf Freiheit und Autonomie zu bestehen? Oder auch nur darauf, nüchtern abzuwägen?
Dennoch und gegen den allgemeinen Trend ist es vielleicht hilfreich, unaufgeregt Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das kann einen davor bewahren, Sinnloses zu tun oder die Sache schlimmer zu machen, als sie ist. 
Wir müssen dekarbonisieren
Um nicht in sinnlose Diskussionen verstrickt zu werden, nehmen wir an, dass die Thesen des Weltklimarates IPCC stimmen. Demnach ist die aktuelle durchschnittliche Erwärmung der globalen Temperatur menschengemacht und basiert auf einem deutlichen Anstieg der CO2-Konzentration von unter 300 ppm um das Jahr 1850 herum, auf derzeit knapp über 400 ppm (parts per million, abgekürzt ppm, wörtlich übersetzt „Anteile pro Million“).
Geht man von diesem Szenario aus, scheint es nur eine Schlussfolgerung zu geben: Wir müssen dekabonisieren, drastisch und sofort. Doch solche Forderungen sind das Ergebnis eines absurden Tunnelblicks und einer konsequenten Weigerung, auch nur ein wenig links und rechts zu schauen.
Beginnen wir bei uns selbst: Die großen Industrieländer hängen zu etwa 80 Prozent von fossilen Energieträgern ab. Die Versuche, diese Quote signifikant zu reduzieren, gelingt nur Ländern mit außergewöhnlichen Bedingungen: So kann die Schweiz ihren Strom ausschließlich aus Wasserkraft und Kernenergie beziehen. Ähnlich ist es in Norwegen. Auf andere Länder sind solche Lösungen aber nicht übertragbar. 
Das Entscheidende passiert nicht hier
In Deutschland, das laut Bundesrechnungshof bisher 106 Milliarden Euro in die Energiewende investiert hat, ist es trotz dieser massiven Ausgaben nicht gelungen, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch signifikant zu erhöhen. Der Anteil nichtfossiler Energieträger beträgt konstant etwa 20 Prozent, ein Großteil davon als Kernenergie oder Biomasse, also Holz, Klärgas oder Biodiesel. Wind- und Sonnenenergie decken nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums gerade mal 3,9 Prozent des Primärenergieverbrauchs ab. Zu meinen, man könne den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren, ist vor diesem Hintergrund illusorisch und man sollte das auch klar kommunizieren.
Aber selbst, wenn das Unmögliche möglich würde: Bekanntermaßen beträgt der Anteil Deutschlands am globalen CO2-Ausstoß etwa 2 Prozent. Das Entscheidende passiert nicht hier, sondern woanders, insbesondere in den Schwellenländern. 2016 plante China laut Greenpeace jede Woche zwei Kohlekraftwerke ans Netz gehen zu lassen. Weltweit werden derzeit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa 400 Gigawatt gebaut, die 150 deutschen Kohlekraftwerke kommen auf eine Leistung von 45 Gigawatt. Ferner werden wir weltweit mehr Flugzeuge erleben, mehr Laster und mehr Mobilität. Das Ziel des Weltklimarates, die CO2-Emission bis 2050 auf null zu setzen, ist daher nicht einmal annähernd realistisch. Auch das sollte man deutlich sagen. 
Die hohen Geburtenraten stoppen
Und im Grunde ist das auch gar nicht wünschenswert. Denn derzeit wächst die Erdbevölkerung alle 12 Jahre um etwa eine Milliarde. 2050 werden wir deutlich über 10 Milliarden Menschen auf der Erde haben. Um diese Geburtenrate zu stoppen, ist es notwendig, die ärmsten Länder dieser Welt auf etwa ein Zehntel des Wohlstandes der westlichen Welt zu heben. Denn dann, das zeigt die Erfahrung, kippt das Reproduktionsverhalten schlagartig und Frauen bekommen nicht mehr sieben bis acht Kinder im Durchschnitt, sondern weniger als drei. Und dieses Ziel sollten wir zügig erreichen.
Das dafür nötige Wirtschaftswachstum braucht aber Energie, billige Energie. Kurz: Wir sind in einem Zieldilemma. Ohne erhebliches, stabiles Wirtschaftswachstum steuern wir in eine Bevölkerungskatastrophe hinein, Massenverelendung, Bürgerkriege, Kampf um Ressourcen und Umweltzerstörung inklusive. Um dieses Wirtschaftswachstum bereitzustellen braucht es aber Energie, auch fossile Energie. 10 Milliarden Menschen ernährt man zudem nicht mit Biolandwirtschaft, sondern mit dem Kunstdünger, und der ist Energieintensiv.
Mit anderen Worten: Schon Deutschland wird seine Klimaziele ohne eine Deindustrialisierung mit unabsehbaren sozialen Folgen nicht erreichen. Vom Rest der Welt brauchen wir gar nicht erst zu sprechen. Hier werden wir in absehbarer Zeit sogar mehr billige Energie benötigen, um eine Bevölkerungskatastrophe abzuwenden. Die reichen Staaten Europas sollten lernen, über den Rand des eigenen Biogärtchens hinauszuschauen. Statt ineffiziente und teure CO2-Ziele zu verfolgen, ist es rationaler, zu überlegen, welche technischen Lösungen denkbar sind, um mit dem unvermeidbaren Klimawandel zu leben.

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