Klimawandel-Debatte
Wachstum braucht billige Energie
KOLUMNE: GRAUZONE
VON ALEXANDER GRAU am 5. Oktober 2019 (CICERO)
„Fridays for Future“
ruft zum nächsten weltweiten Aktionstag. Die radikale Bewegung „Extinction
Rebellion“ will Berlin blockieren und wird von 90 Kulturschaffenden
unterstützt. Die Debatte spitzt sich zu. Zeit, einige einfache und ernüchternde
Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen
Klimawandel, Klimaschutz, Klimakatastrophe, Klimakabinett,
Klimarat, Klimastrategie und Klimapaket – alle reden vom Klima und von nichts
anderem mehr. Und auch die Debatte kennt nur eine Richtung: mehr Steuern, mehr
Abgaben, mehr Verbote, mehr Einschränkungen, mehr Vorschriften. Denn wenn die
Welt untergeht, ist es dann nicht kleinlich oder gar verbrecherisch auf
Freiheit und Autonomie zu bestehen? Oder auch nur darauf, nüchtern abzuwägen?
Dennoch und gegen den allgemeinen Trend ist es vielleicht
hilfreich, unaufgeregt Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das kann einen davor
bewahren, Sinnloses zu tun oder die Sache schlimmer zu machen, als sie ist.
Wir müssen dekarbonisieren
Um nicht in sinnlose Diskussionen verstrickt zu werden, nehmen wir
an, dass die Thesen des Weltklimarates IPCC stimmen. Demnach ist die aktuelle
durchschnittliche Erwärmung der globalen Temperatur menschengemacht und basiert
auf einem deutlichen Anstieg der CO2-Konzentration von unter 300 ppm um das
Jahr 1850 herum, auf derzeit knapp über 400 ppm (parts per million, abgekürzt ppm,
wörtlich übersetzt „Anteile pro Million“).
Geht man von diesem Szenario aus, scheint es nur eine Schlussfolgerung zu
geben: Wir müssen dekabonisieren, drastisch und sofort. Doch solche Forderungen
sind das Ergebnis eines absurden Tunnelblicks und einer konsequenten Weigerung,
auch nur ein wenig links und rechts zu schauen.
Beginnen wir bei uns selbst: Die großen Industrieländer hängen zu
etwa 80 Prozent von fossilen Energieträgern ab. Die Versuche, diese Quote
signifikant zu reduzieren, gelingt nur Ländern mit außergewöhnlichen
Bedingungen: So kann die Schweiz ihren Strom ausschließlich aus Wasserkraft und
Kernenergie beziehen. Ähnlich ist es in Norwegen. Auf andere Länder sind solche
Lösungen aber nicht übertragbar.
Das Entscheidende passiert nicht
hier
In Deutschland, das laut Bundesrechnungshof bisher 106 Milliarden
Euro in die Energiewende investiert hat, ist es trotz dieser massiven Ausgaben
nicht gelungen, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch
signifikant zu erhöhen. Der Anteil nichtfossiler Energieträger beträgt konstant
etwa 20 Prozent, ein Großteil davon als Kernenergie oder Biomasse, also Holz,
Klärgas oder Biodiesel. Wind- und Sonnenenergie decken nach
Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums gerade mal 3,9 Prozent des
Primärenergieverbrauchs ab. Zu meinen, man könne den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80
bis 95 Prozent reduzieren, ist vor diesem Hintergrund illusorisch und man
sollte das auch klar kommunizieren.
Aber selbst, wenn das Unmögliche möglich würde: Bekanntermaßen
beträgt der Anteil Deutschlands am globalen CO2-Ausstoß etwa 2 Prozent. Das
Entscheidende passiert nicht hier, sondern woanders, insbesondere in den
Schwellenländern. 2016 plante
China laut Greenpeace jede Woche zwei Kohlekraftwerke ans Netz gehen zu
lassen. Weltweit werden derzeit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa 400
Gigawatt gebaut, die 150 deutschen Kohlekraftwerke kommen auf eine Leistung von
45 Gigawatt. Ferner werden wir weltweit mehr Flugzeuge erleben, mehr Laster und
mehr Mobilität. Das Ziel des Weltklimarates, die CO2-Emission bis 2050 auf null
zu setzen, ist daher nicht einmal annähernd realistisch. Auch das sollte man
deutlich sagen.
Die hohen Geburtenraten stoppen
Und im Grunde ist das auch gar nicht wünschenswert. Denn derzeit
wächst die Erdbevölkerung alle 12 Jahre um etwa eine Milliarde. 2050 werden wir
deutlich über 10 Milliarden Menschen auf der Erde haben. Um diese Geburtenrate
zu stoppen, ist es notwendig, die ärmsten Länder dieser Welt auf etwa ein
Zehntel des Wohlstandes der westlichen Welt zu heben. Denn dann, das zeigt die
Erfahrung, kippt das Reproduktionsverhalten schlagartig und Frauen bekommen
nicht mehr sieben bis acht Kinder im Durchschnitt, sondern weniger als drei.
Und dieses Ziel sollten wir zügig erreichen.
Das dafür nötige Wirtschaftswachstum braucht aber Energie, billige
Energie. Kurz: Wir sind in einem Zieldilemma. Ohne erhebliches, stabiles
Wirtschaftswachstum steuern wir in eine Bevölkerungskatastrophe hinein,
Massenverelendung, Bürgerkriege, Kampf um Ressourcen und Umweltzerstörung
inklusive. Um dieses Wirtschaftswachstum bereitzustellen braucht es aber
Energie, auch fossile Energie. 10 Milliarden Menschen ernährt man zudem nicht
mit Biolandwirtschaft, sondern mit dem Kunstdünger, und der ist
Energieintensiv.
Mit anderen Worten: Schon Deutschland wird seine Klimaziele ohne
eine Deindustrialisierung mit unabsehbaren sozialen Folgen nicht erreichen. Vom
Rest der Welt brauchen wir gar nicht erst zu sprechen. Hier werden wir in
absehbarer Zeit sogar mehr billige Energie benötigen, um eine
Bevölkerungskatastrophe abzuwenden. Die reichen Staaten Europas sollten lernen,
über den Rand des eigenen Biogärtchens hinauszuschauen. Statt ineffiziente und
teure CO2-Ziele zu verfolgen, ist es rationaler, zu überlegen, welche
technischen Lösungen denkbar sind, um mit dem unvermeidbaren Klimawandel zu
leben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen