Montag, 7. Oktober 2019

Klimapolitik und Medien - Grünes Maß aller Dinge


Klimapolitik und Medien
Grünes Maß aller Dinge
VON CHRISTOPH SCHWENNICKE am 7. Oktober 2019
Beim Thema Klimapolitik arbeiten viele Medien unprofessionell. Denn sie hofieren die Grünen und stilisieren ihre Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck zum wichtigsten Tagesgeschehen. Journalisten brauchen endlich wieder mehr Distanz, auch zur kleinsten Oppositionspartei
Samstagmorgen elf Uhr, direkt nach der wunderbaren Sendung „Klassik Pop Et Cetera“. Die Nachrichten des Deutschlandfunks eröffnen mit der Meldung, die Grünen hätten ihre Änderungsvorschläge (oder waren es Wünsche?) am Klimapaket der Bundesregierung „konkretisiert“. Dann folgt eine lange Liste dessen, wie sie über die Ziele der Koalition hinausgehen wollen.
Nur kurz zur Erinnerung und Einordnung: Bei den Grünen handelt es sich um eine von vier Oppositionsparteien im Bundestag. Sie sind eine respektable Partei mit Positionen, die man teilen kann oder nicht. Aber die Aufmachermeldung in einer der wichtigsten Radio-Nachrichtensendungen des Landes zu grünen Gegenvorschlägen zum Klimapaket der Regierung? Das ist absurd. 
Für Grüne gelten andere mediale Regeln 
Man muss nur einmal die Gegenprobe machen. Würde so eine Meldung an erster Stelle laufen, wenn sie von der Linken oder der FDP kommt, weil diese Parteien ihre Gegenvorschläge präsentiert haben. Niemals. Oder ist diese Eröffnung des Nachrichtenblocks im DLF vorstellbar: „Die AfD hat heute ihre komplette Ablehnung des Klimapakets der Bundesregierung bekräftigt und abermals ihre Zweifel am menschengemachten Klimawandel angemeldet.“ Zu Recht unvorstellbar.
Für die Grünen gelten aber medial andere Regeln. Sie haben sich zu einer Elle entwickelt, an der jedwede Politik, zumal in Klimafragen, gemessen wird. Sie werden von vielen Redaktionsstuben als der politische Notar betrachtet, der die amtliche Regierungspolitik beglaubigt – oder eben auch nicht. Das misst ihnen eine Rolle zu, die sie nicht haben. Sie sind politischer Wettbewerber, derzeit im Bund in der Opposition und nicht das Maß aller politischen Dinge. 
Journalismus hält keinen Steigbügel hin 
Genau so aber werden sie leider sehr oft behandelt. Das ist nicht nur eine unangemessene Vorzugsbehandlung im politischen Wettbewerb. Das ist journalistisch unprofessionell und demokratieschädigend. Opposition ist eine wichtige Aufgabe. Aber erstens nehmen diese Aufgabe aktuell mehrere Parteien wahr. Und außerdem ist sie bei aller Bedeutung nicht das Wichtigste des Tages. Keines Tages, auch keines nachrichtenarmen Tages, was dieser Samstag zunächst möglicherweise war.
Diese Sonderstellung, diese Privilegierung  der Grünen im medialen Betrieb geht längst so weit, dass deren Spitzenpersonal schon gar nicht mehr gewohnt ist, mal härter angepackt zu werden, was bei einem Björn Höcke und einem Alexander Gauland und auch einem Christian Lindner immer selbstverständlich und zu Recht der Fall ist. So muss Journalismus sein. Er hält keine Steigbügel hin, sondern wirft Stöckchen zwischen die Beine. Und zwar zwischen die Beine aller. 
Es passiert ihnen nichts 
Diese Gewöhnung an die Vorzugsbehandlung hat zwei Spitzen-Grüne zuletzt in Situationen geführt, in denen sie erkennbar schlecht vorbereitet waren. Robert Habeck hatte einmal keine wirkliche Ahnung von der Entfernungspauschale, und Annalena Baerbock verwechselte Kobalt mit Kobold. Aber selbst danach blieb die Kritik an beiden verhalten. Sie können sorglos, unbekümmert und schlecht vorbereitet ins Fernsehen gehen. Es passiert ihnen nichts. Ein Sebastian Kurz musste sich hingegen nach einem ziemlich fulminanten Wahlsieg seiner Partei bei den Nationalratswahlen in Österreich noch am Wahlabend bei Claus Kleber wie ein Schuljunge behandeln lassen.
Die Grünen genießen Artenschutz und bestimmen die Agenda. Als mit Greta und der Sommerdürre ihr Thema wieder hochkam, hatte die Klimakanzlerin, die seit dem Klimagipfel von Heiligendamm einen Dornröschenschlaf schlief, wieder aufgeweckt. Komischerweise gilt beim Klima nicht was vorher beim anderen groben Thema galt, der Migration. Auf diesem Feld hieß und heißt es immer, ein Thematisieren mache nur die AfD stark. Das war schon damals Blödsinn und eine reine Schutzbehauptung, wie die CSU in Bayern bewies, die eine kontrolliertere Migration forderte und also thematisierte. Ergebnis: In kaum einem Bundesland ist die AfD so klein wie in Bayern. 
Seltsame Diskrepanz bei Klima und Migration 
Beim Thema Klima aber darf, ja muss man offenbar ganz schnell das Geschäft der Grünen betreiben. Also so vorgehen, wie es beim anderen Thema strikt verboten und angeblich fürchterlich falsch war. Übrigens mit dem gleichen Ergebnis wie der Umgang der CSU mit der Migration: In den neuesten Umfragen legen die Koalitionsparteien leicht zu, während die Grünen verlieren.
Dieses zweierlei Maß bei Klima und Migration hat möglicherweise eine ganz einfache Erklärung: Beide Male handelt man politisch im Geiste der Grünen. Das ist einzige, was mir jedenfalls einfällt, was diese seltsame Diskrepanz (hier ist plötzlich richtig, was dort falsch war) erklärt. 
Wir brauchen wieder mehr Distanz 
Den Grünen ist ihre Position des Agenda Settings nicht zu verübeln. Sie haben sich das erarbeitet, und das ist eine große politische Leistung. Aber der mediale Betreib darf sich an diesem grünen Agenda Setting nicht beteiligen. Sondern er muss kühle kritische Äquidistanz zu allen im Bundestag vertretenen Parteien bewahren. Aber genau das passiert nicht.
Am Samstag Nachmittag sind die grünen Ergänzungspakete zum Klimapaket immer noch der Aufmacher im Deutschlandfunk. Gefolgt von der Meldung, dass sich die Grünen in Sachsen für eine so genannte Kenia-Koalition mit CDU und SPD bereit zeigen. Die vierte Meldung handelt davon, dass der Messerstecher und vierfache Mörder in einer Pariser Polizeistation ein Islamist gewesen ist.
Quelle: CICERO

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