Mittwoch, 16. Oktober 2019

NZZ - Deutsches Umweltministerium fordert die Schweiz auf, Atomkraftwerke «zeitnah» stillzulegen


Deutsches Umweltministerium fordert die Schweiz auf, Atomkraftwerke «zeitnah» stillzulegen
Von einer «fatalen Fehlentwicklung» in der Schweizer Atompolitik spricht die Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Sie will, dass die Schweiz bei Entscheidungen über längere Laufzeiten die Nachbarstaaten einbezieht.
Das deutsche Umweltministerium versucht, Einfluss auf die Laufzeiten der Schweizer Atomkraftwerke zu nehmen. Bereits am Freitag veröffentlichte das Ministerium eine Pressemitteilung, die bisher kaum Beachtung fand. Darin heisst es, Rita Schwarzelühr-Sutter, die parlamentarische Staatssekretärin des Ministeriums und Bundestagsabgeordnete der SPD, habe sich wegen der Kernkraftwerke mit einem Schreiben an die Schweizer Bundesrätin für Umwelt, Simonetta Sommaruga, gewandt. Die Staatssekretärin setze sich dafür ein, das unweit der Grenze zu Deutschland gelegene Atomkraftwerk Beznau «schnellstmöglich» abzuschalten. Der Staatssekretärin geht es aber nicht nur um diese Anlage. Sie möchte, «dass auch die übrigen Schweizer Atomkraftwerke zeitnah ihren Leistungsbetrieb einstellen».

Dienstag, 8. Oktober 2019

Wachstum braucht billige Energie


Klimawandel-Debatte
Wachstum braucht billige Energie
KOLUMNE: GRAUZONE VON ALEXANDER GRAU am 5. Oktober 2019 (CICERO)
„Fridays for Future“ ruft zum nächsten weltweiten Aktionstag. Die radikale Bewegung „Extinction Rebellion“ will Berlin blockieren und wird von 90 Kulturschaffenden unterstützt. Die Debatte spitzt sich zu. Zeit, einige einfache und ernüchternde Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen
Klimawandel, Klimaschutz, Klimakatastrophe, Klimakabinett, Klimarat, Klimastrategie und Klimapaket – alle reden vom Klima und von nichts anderem mehr. Und auch die Debatte kennt nur eine Richtung: mehr Steuern, mehr Abgaben, mehr Verbote, mehr Einschränkungen, mehr Vorschriften. Denn wenn die Welt untergeht, ist es dann nicht kleinlich oder gar verbrecherisch auf Freiheit und Autonomie zu bestehen? Oder auch nur darauf, nüchtern abzuwägen?
Dennoch und gegen den allgemeinen Trend ist es vielleicht hilfreich, unaufgeregt Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das kann einen davor bewahren, Sinnloses zu tun oder die Sache schlimmer zu machen, als sie ist. 
Wir müssen dekarbonisieren
Um nicht in sinnlose Diskussionen verstrickt zu werden, nehmen wir an, dass die Thesen des Weltklimarates IPCC stimmen. Demnach ist die aktuelle durchschnittliche Erwärmung der globalen Temperatur menschengemacht und basiert auf einem deutlichen Anstieg der CO2-Konzentration von unter 300 ppm um das Jahr 1850 herum, auf derzeit knapp über 400 ppm (parts per million, abgekürzt ppm, wörtlich übersetzt „Anteile pro Million“).
Geht man von diesem Szenario aus, scheint es nur eine Schlussfolgerung zu geben: Wir müssen dekabonisieren, drastisch und sofort. Doch solche Forderungen sind das Ergebnis eines absurden Tunnelblicks und einer konsequenten Weigerung, auch nur ein wenig links und rechts zu schauen.
Beginnen wir bei uns selbst: Die großen Industrieländer hängen zu etwa 80 Prozent von fossilen Energieträgern ab. Die Versuche, diese Quote signifikant zu reduzieren, gelingt nur Ländern mit außergewöhnlichen Bedingungen: So kann die Schweiz ihren Strom ausschließlich aus Wasserkraft und Kernenergie beziehen. Ähnlich ist es in Norwegen. Auf andere Länder sind solche Lösungen aber nicht übertragbar. 
Das Entscheidende passiert nicht hier
In Deutschland, das laut Bundesrechnungshof bisher 106 Milliarden Euro in die Energiewende investiert hat, ist es trotz dieser massiven Ausgaben nicht gelungen, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch signifikant zu erhöhen. Der Anteil nichtfossiler Energieträger beträgt konstant etwa 20 Prozent, ein Großteil davon als Kernenergie oder Biomasse, also Holz, Klärgas oder Biodiesel. Wind- und Sonnenenergie decken nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums gerade mal 3,9 Prozent des Primärenergieverbrauchs ab. Zu meinen, man könne den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren, ist vor diesem Hintergrund illusorisch und man sollte das auch klar kommunizieren.
Aber selbst, wenn das Unmögliche möglich würde: Bekanntermaßen beträgt der Anteil Deutschlands am globalen CO2-Ausstoß etwa 2 Prozent. Das Entscheidende passiert nicht hier, sondern woanders, insbesondere in den Schwellenländern. 2016 plante China laut Greenpeace jede Woche zwei Kohlekraftwerke ans Netz gehen zu lassen. Weltweit werden derzeit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa 400 Gigawatt gebaut, die 150 deutschen Kohlekraftwerke kommen auf eine Leistung von 45 Gigawatt. Ferner werden wir weltweit mehr Flugzeuge erleben, mehr Laster und mehr Mobilität. Das Ziel des Weltklimarates, die CO2-Emission bis 2050 auf null zu setzen, ist daher nicht einmal annähernd realistisch. Auch das sollte man deutlich sagen. 
Die hohen Geburtenraten stoppen
Und im Grunde ist das auch gar nicht wünschenswert. Denn derzeit wächst die Erdbevölkerung alle 12 Jahre um etwa eine Milliarde. 2050 werden wir deutlich über 10 Milliarden Menschen auf der Erde haben. Um diese Geburtenrate zu stoppen, ist es notwendig, die ärmsten Länder dieser Welt auf etwa ein Zehntel des Wohlstandes der westlichen Welt zu heben. Denn dann, das zeigt die Erfahrung, kippt das Reproduktionsverhalten schlagartig und Frauen bekommen nicht mehr sieben bis acht Kinder im Durchschnitt, sondern weniger als drei. Und dieses Ziel sollten wir zügig erreichen.
Das dafür nötige Wirtschaftswachstum braucht aber Energie, billige Energie. Kurz: Wir sind in einem Zieldilemma. Ohne erhebliches, stabiles Wirtschaftswachstum steuern wir in eine Bevölkerungskatastrophe hinein, Massenverelendung, Bürgerkriege, Kampf um Ressourcen und Umweltzerstörung inklusive. Um dieses Wirtschaftswachstum bereitzustellen braucht es aber Energie, auch fossile Energie. 10 Milliarden Menschen ernährt man zudem nicht mit Biolandwirtschaft, sondern mit dem Kunstdünger, und der ist Energieintensiv.
Mit anderen Worten: Schon Deutschland wird seine Klimaziele ohne eine Deindustrialisierung mit unabsehbaren sozialen Folgen nicht erreichen. Vom Rest der Welt brauchen wir gar nicht erst zu sprechen. Hier werden wir in absehbarer Zeit sogar mehr billige Energie benötigen, um eine Bevölkerungskatastrophe abzuwenden. Die reichen Staaten Europas sollten lernen, über den Rand des eigenen Biogärtchens hinauszuschauen. Statt ineffiziente und teure CO2-Ziele zu verfolgen, ist es rationaler, zu überlegen, welche technischen Lösungen denkbar sind, um mit dem unvermeidbaren Klimawandel zu leben.

Kein ökonomischer Selbstmord


„Kein ökonomischer Selbstmord“
Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt kritisiert die „maßlose Klimadebatte“ und warnt vor überstürzten Reformen
Hamburg Der Chemiker Fritz Vahrenholt ist ein Pionier der Umweltbewegung. Sein Buch „Seveso ist überall“ (1978) prägte die Ökodebatte über Jahre, sein Umweltatlas „Die Lage der Nation“ (1982) gilt als Meilenstein. 1984, im Alter von 35 Jahren, wurde Vahrenholt Staatsrat der Umweltbehörde, 1991 Umweltsenator der Hansestadt. 1997 unterlag er Ortwin Runde im Kampf um die Nachfolge von Henning Voscherau und wechselte in die Wirtschaft – ging als Umweltvorstand zu Shell und baute danach das Windkraftunternehmen Repower (später Senvion auf). 2008 war er Gründungsvorstand von Innogy. Heute ist er Aufsichtsratschef der Aurubis AG. Das SPD-Mitglied ist einer der Unterzeichner der Erklärung: „Hört auf die Wissenschaftler: 500 Forscher protestieren gegen das Schüren von Klimaalarm.“ Darin heißt es unter anderem, es sei „grausam und unklug, die Verschwendung von Billionen“ auf der Grundlage der Ergebnisse unreifer Klimamodelle zu befürworten.
Herr Vahrenholt, warum haben Sie diese Erklärung unterzeichnet?
Fritz Vahrenholt Die Klima-Diskussion ist so hysterisch geworden, dass sie die Politik vor sich hertreibt. Wir haben aber keinen Klimanotstand. Wenn die Forderungen von Greta Thunberg umgesetzt werden, werden Wohlstand und Entwicklung weltweit massiv gefährdet. Thunberg wirft den Politikern vor zu töten – aber übersieht die Erfolge der Politik: Die Zahl der Hungernden auf der Welt hat sich halbiert, die Lebenserwartung verdoppelt, die Kindersterblichkeit gezehntelt. Diese Erfolge haben wesentlich mit der Energieversorgung für Strom, Wärme, Transport und Ernährung zu tun.
Wie kamen die Wissenschaftler zusammen?
Der holländische Klimaforscher und Geophysiker Guus Berkhout hat die Initiative gestartet und in verschiedenen Ländern Kritiker der gängigen Klimamodelle angeschrieben, mich auch. Wir haben dann unsererseits Mitstreiter geworben. Interessant: Auf der Liste gibt es rund 150 Italiener, 100 Amerikaner und 70 Holländer, aber nur 14 Deutsche. Hierzulande ist der Mainstream besonders massiv – man wagt nicht mehr, sich abweichend zu äußern.
Der letzte Bericht des Weltklimarats IPCC las sich auch erschütternd …
Wer heute glauben macht, in wenigen Jahren sei das Leben auf der Erde gefährdet, treibt die Menschen in Angst und die Politik in Fehler. Das ist unverantwortlich. Hört auf, den Kindern Angst zu machen – die bekommen ja schon Wahnvorstellungen.
Wie viel Zeit haben wir denn zum Umsteuern?
Wir haben Zeit bis Ende des Jahrhunderts – das sagen alle Unterzeichner unserer Erklärung. Wir leugnen den Klimawandel nicht, natürlich gibt es einen CO2 -Effekt. Aber die Erwärmung der letzten 100 Jahre hat auch natürliche Ursachen: Wir kommen aus einer kleinen Eiszeit. Viele Klimamodelle zeigen nachweislich eine zu starke Erwärmung und können die Schwankungen der Vergangenheit nicht reproduzieren, weil sie nur einen Faktor kennen: CO2 .
Was macht Sie so zuversichtlich?
Der grünende Effekt des CO2 wird übersehen – oder verschwiegen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass durch das Treibhausgas die Photosynthese befördert wird und die Sahel-Zone beispielsweise grüner wird. In den letzten Jahren hat die Photosynthese auf der Erde um 20 Prozent zugenommen. Die Blätter werden größer, aber auch Früchte und Weizenkörner. Das darf man doch nicht verschweigen. Übrigens: Ohne CO2 würde das Leben auf der Erde buchstäblich ersticken.
Also ist alles gut?
Nein, das sagen wir auch nicht. Aber wir wollen die Hysterie herausnehmen. Es wurde schon einiges erreicht: Der Zuwachs des Treibhausgases kommt seit Längerem nur noch aus den Entwicklungsländern. Europa und die USA sind fallend, während China inzwischen pro Kopf mehr CO2 ausstößt als die Europäer. Nun kommt eine chinesische Studie zu der Erkenntnis, dass eine Kaltzeit droht, die aber durch den Treibhauseffekt gedämpft wird. Warum wird das nicht debattiert? Der vermeintliche Konsens ist kein Konsens.
Na ja, 97 Prozent der Forscher sind sich sicher, dass es einen Klimawandel gibt ...
Ich gehöre auch zu den 97 Prozent. Diese Zahl bezieht sich auf eine wenig differenzierte Umfrage. Nur eine kleine Minderheit hält den Klimawandels zu 100 Prozent für menschengemacht, die breite Mehrheit glaubt an mehrere Ursachen: 97 Prozent der befragten Forscher gaben den Anteil des CO2 an der Erwärmung mit 50 bis 99 Prozent an. Nur ein kleiner Rest schließt den Einfluss des Menschen ganz aus – das sind Dummköpfe. Mich ärgert, dass kein Klimawissenschaftler in Deutschland aufsteht und das erklärt. Hier wird die Jugend verrückt gemacht, mit Horrornachrichten, uns blieben noch zwölf Jahre – und keiner hält nüchtern dagegen und korrigiert es. Wir müssen Emissionen senken, aber nicht ökonomischen Selbstmord begehen.
„Fridays for Future“ würde antworten: Ein mörderischer Klimawandel wäre viel schlimmer.
Das sagen manche Modelle – mit hohen Unsicherheiten. Was ist von Modellen zu halten, die weder die kleine Eiszeit noch die mittelalterliche Wärmeperiode – als es etwa so warm war wie heute – nicht wiedergeben können? Ich erwähnte bereits die Studie des Max-Planck-In­stituts, dass die Pflanzen viel mehr CO2 aufnehmen können, als die Modelle angenommen haben. Dieser neu entdeckte Effekt ist so groß wie der Ausstoß von ganz Europa – jedes Jahr! Die Natur und ihre Schwankungen dürfen nicht übersehen werden. Das gibt uns mehr Zeit. Wir müssen uns nicht von den Klippen stürzen. Eine Vollbremsung kann sich die Gesellschaft nicht leisten – sie muss es auch nicht. Bremsen genügt.
Diese These könnte man als Einladung zum „weiter so“ missverstehen.
Das sage ich ja nicht. Aber wir müssen klug umsteuern. Wir haben in fünf Generationen eine kohlenstoffbasierte Energieversorgung aufgebaut. Es könnte zwei Generationen lang dauern, diese weltweit umzustellen. Bis dahin sollten wir uns auch über die Verpressung von CO2 Gedanken machen, Fusionsforschung entwickeln und selbstverständlich erneuerbare Energien wettbewerbsfähig gemacht werden. Die Chinesen versuchen das alles auch. Sie werden einen Teufel tun, auf Kohle zu verzichten – nach dem Pariser Klimaabkommen dürfen sie den CO2 -Ausstoß noch um die Menge erhöhen, die Europa emittiert. Das zeigt, wie maßlos unsere Debatte geworden ist. Sie wird am Ende zu Armut führen: Wenn wir bis 2030 aus der Kohle und dem Verbrennungsmotor aussteigen, was wird dann aus diesem Land?
Sind Sie in der Ökodebatte vom Paulus zum Saulus geworden?
Ich habe Zeit meines Lebens erneuerbare Energien und Umweltschutz gemacht – jetzt bin ich im Naturschutz angekommen. Deshalb bin ich für meine Kritiker besonders unbequem. Ich war und bin kein Saulus, sondern mir treu geblieben. Die CDU fordert nun ein Klimaschutzgesetz – das habe ich vor 23 Jahren als Senator auf den Weg gebracht.
Da müssten Sie sich im Lager der Klimawandelleugner aber unwohl fühlen ...
Ich leugne den Wandel nicht. CO2 ist ein Problem. Der Weltklimarat IPCC sagt eine Klimaerwärmung in der Bandbreite von 1,5 bis 4,5 Grad bis 2100 voraus. Ich gehe von 1,5 Grad aus. Wo ist da der Skandal, den einige konstruieren? Wenn man wie Prof. Hans Joachim Schellnhuber sagt, es sind sechs Grad, dann gibt es Beifall, dann gehört man zu den Guten. Das ist doch absurd.
Wer Ihren Namen googelt, bekommt automatisch AfD ergänzt ...
Na, super. Das ist ein beliebtes wie böses Spiel, in eine Schublade gesteckt zu werden. Ich kann nichts dafür, dass die AfD mich zitiert. Schlimm ist, dass man dieses Thema den Populisten überlässt. Wir müssen in der Mitte der Gesellschaft über die richtigen Wege zum Klimaschutz streiten. Aber leider nimmt unsere Diskursfähigkeit immer weiter ab. Das Einzige, was und helfen könnte, wäre eine Abkühlung: Immerhin geht die Temperatur seit 2016 zurück.